Samstag, 17. Mai 2014

Gedanken zum IDAHOT

#NotYourHero              
Nr. 1                                                                                            

Oft werde ich gefragt, warum ich mich ständig über die Gesellschaft beklage. Ich frage mich dann insgeheim immer wie kurzsichtig man durch diese Welt stolpern muss, um nicht zu merken wie viel falsch läuft. Mein persönlicher Weltschmerz ist dadurch begründet, dass ich nicht so in die Norm passe, nicht mal passen will. Und das bekomme ich regelmäßig zu spüren. Um den Eintrag besser nachvollziehen zu können sollte ich vorerst erwähnen, dass ich das bin, was manche vielleicht als "Butch" bezeichnen würden, aber ich mag solche Kategorisierungen nicht, weil ich am Ende ja doch einfach ein Mensch, einfach "ich" eben, bin. Mit meinen kurzen Haaren, meinem "burschikosen Kleidungsstil" und generell meiner Art aufzutreten passe ich einfach nicht in das Rollenbild einer typischen Frau. Ich beabsichtige mit meiner Art mich zu präsentieren ja auch aufzufallen und die Leute dadurch zum Denken zu bewegen. Aber das ganze bringt mich doch immer wieder in ungute Situationen, die einfach nicht sein müssten, wenn die Menschen in meinem Umfeld etwas mehr nachdenken würden, sensibler wären. Oft merken sie auch einfach nicht, dass gewisse Reaktionen auf mich bzw mein Äußeres verletzend sind, mir weh tun auch wenn ich das nicht zeige. Burschikos gekleidet habe ich mich schon, solange ich denken kann. Hin und wieder hat meine Mama versucht mich in diverse Kleider zu packen, ich habe dann aber immer dementsprechende Aufstände gemacht, dass sie das irgendwann aufgegeben hat, auch besser so. Das letzte Mal als ich ein Kleid getragen habe war auf meinem Maturaball vor ca einem halben Jahr, noch jetzt ist das der Horror für mich, ich weiß auch gar nicht warum ich mich dazu überreden lassen habe. Ich fühle mich einfach wie in einer Verkleidung, wenn ich mich kleide, wie ich mich - laut den Vorgaben - eigentlich anziehen sollte. So viel zu meiner Vorgeschichte.

Jedenfalls kam ich erst letztens wieder in eine unangenehme Situation. Ich wartete gerade auf den Bus nach Hause nach der Schule. Ich war alleine und saß auf einer Bank auf der Bushaltestelle. Vor mir stand eine Gruppe Mädchen und ich merkte schon, dass sie sich über mich unterhalten. Eh voll okay soweit, zumindest kein Problem, auch wenn man das ganze weniger offensichtlich machen hätte können, oder auch einfach lassen.  Jedenfalls drehte sich dann aber eine in meine Richtung, das Handy in der Hand. Eigentlich nicht weiter auffällig, dachte ich zumindest. Mein Gedanke in der nächsten Situation war dann, dass man zumindest den Blitz ausschalten sollte, wenn man schon von wildfremden Menschen Fotos macht. Ich wusste auch nicht wirklich wie ich darauf jetzt reagieren sollte, hab dann so getan als hätte ich nichts bemerkt. Wenn mir sowas noch einmal passieren sollte habe ich mir vorgenommen die Leute darauf anzusprechen. Ist ja eigentlich mein gutes Recht.

Eine weitere solche Situation war letztens am Bahnhof als ich auf dem Weg nach Linz war und auf meinen Zug wartete. Einige Leute standen um mich herum als ich alleine unterwegs war. Links von mir, nur 2-3 Meter entfernt standen zwei Mädchen und ein Bub, keine_r von ihnen älter als vielleicht 12 Jahre. Sie rätselten laut vor sich hin, was ich denn nun sei. Die eine meinte dann "Naja wenn er ein Typ ist, ist er eh ganz scharf". Und wiedermal war ich gehemmt etwas zu sagen, in solchen Augenblicken ist mein Selbstvertrauen einfach weg, ich bringe dann kein Wort raus, auch wenn ich eigentlich kein Mensch bin, der auf den Mund gefallen wäre, im Gegenteil.Ich wusste und weiß auch jetzt noch nicht, ob ich das als Kompliment auffassen sollte, oder als was auch immer.

Ich komme einfach zu oft in unangenehme Situationen. Homophobie bekomme ich besonders dann zu spüren, wenn ich eben öffentlich zärtlich zu Mädchen* bin. Und ich sehe keinen Grund, warum ich nicht das Recht dazu hätte das zu tun. Ich meine, ich mache dass doch auch nicht, dass ich heterosexuelle Pärchen beschimpfe. Dass ich schreie "He schaut's mal, 2 Heten, omg!". Was bringt mir das denn auch überhaupt? Ich verstehe das einfach nicht, wirklich. Und es macht mich insgeheim wirklich traurig, dass ich nicht sein kann wer ich bin, ohne dass mich das immer wieder aufs neue so viele Nerven kostet.

Es wäre ja nicht einmal so viel, was die Menschen um mich herum machen könnten oder vielleicht sollten, damit ich mich nicht mehr wie irgendein Alien fühle:
Angefangen bei diesen oft so skeptischen, teils verachtenden Blicken von Fremden, die mich nur im Vorbeigehen sehen. Du kennst mich nicht, ich kenn dich nicht, ich beschränke dich nicht auf dein äußeres und schau dich nicht deppert an, du beschränkst mich nicht auf mein äußeres und schaust mich nicht deppert an. So einfach könnte das sein
Weiter zu diesen mega mühsamen Fragen, die sich immer und immer wiederholen: "Bist du ein Mädchen oder ein Junge?",  "Bist du dir auch ganz sicher, dass du auf Frauen stehst?", "Warum bist du denn männerfeindlich, was haben dir die bitte getan?", "Wie funktioniert denn das im Bett bei zwei Frauen? Das ist doch kein richtiger Sex.", "Und glaubst du nicht, dass das nur eine Phase ist?", "Wann hast du dich denn dazu entschieden, dass du auf das gleiche Geschlecht stehst?", USW
Um diese Fragen hier ein für  allemal zu beantworten, hier, bitte:

1.) "Bist du ein Mädchen oder ein Junge?"
Also es ist so, ich definiere mich schon als Frau, einfach weil Frauen* immer noch das benachteiligte Geschlecht sind und ich diesen Kampf zur Gleichberechtigung auf jeden Fall unterstützen will und das mache ich auch. Aber eigentlich gibt es viel mehr als nur diese beiden Geschlechter, also Mann und Frau. Und eigentlich sehe ich auch keinen Grund, mich als eines der beiden einzuordnen. Und als Gegenfrage auf diese Frage: Wofür ist es relevant für dich zu wissen, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin? Wenn das für dich etwas ändert an deiner Betrachtung von mir, je nachdem was ich dann antworte, dann solltest du vielleicht mal überdenken, wie sehr das Geschlecht eines Menschen deine Meinung über diesen Menschen beeinflusst. Was zählt, ist die Person, der Charakter, das Innere eines Menschen, nicht ob er_sie jetzt einen Penis oder Brüste hat, always remember that.

2.) "Bist du dir auch ganz sicher, dass du auf Frauen stehst?"
Ja nein, ich erzähl das eigentlich nur zum Spaß, um hin und wieder ein bisserl diskriminiert zu werden, ist doch eine feine Sache! Warum soll ich denn das erfinden oder mir einreden? Think befor you speak. Really.

3.) "Warum bist du denn männerfeindlich, was haben dir die bitte getan?"
Ja na klar, nur weil ich auf Frauen* stehe, bin ich natürlich gleich männerfeindlich. Ein für allemal: Ich ziehe keinen Unterschied, ob mein Gegenüber jetzt ein Mann* oder eine Frau* ist. Mein einziges Problem, und das ist wirklich mein Problem, nicht deines oder das von sonst irgendwem, ist einfach, dass ich, wie soll ich sagen...nicht unbedingt Penisse in meinem Bett brauche. Und das ist für mich ja nicht wirklich ein Problem, nur für den Rest der Gesellschaft anscheinend. Aber das macht mich nicht zur Männerfeindin, echt nicht.

4.) Wie funktioniert das im Bett bei zwei Frauen? Das ist doch kein richtiger Sex."
Sex = Penis rein, raus, Ende? Come on, wenn du das so siehst, sollte ich dich vielleicht mal fragen, wie zufrieden du mit deinem Sexleben wirklich bist, weil Sex ist so viel mehr als nur das. Und wie es funktioniert...naja schau dir einen Lesbenporno an, dann siehst du den Sex genau so, wie er eben NICHT ist. Aber die eigentliche Frage ist, warum ist es für dich wichtig das zu wissen? Ich frage dich auch nicht, was bei dir im Bett genau läuft.

5.) "Und du glaubst nicht, dass das nur eine Phase ist?"
Ist das Leben eine Phase? Dann schon. Aber lass das mal lieber mein Bier sein.

6.) "Wann hast du dich denn dazu entschieden, dass du auf das gleiche Geschlecht stehst?"
Puh ja, das war am 31.Mai 2000, es war voll der schöne, frühsommerliche Tag und ich lag da so im Garten und dachte mir so: "Hey, ab heute bin ich lesbisch!"
Nein jetzt ernsthaft, das ist doch keine "Entscheidung". Das ist ein längerer Prozess, bis einem_einer klar wird, dass man sich eben eher vom eigenen Geschlecht angezogen fühlt und so viel Freiwilligkeit steckt dahinter vermutlich nicht einmal. Also dass es irgendwie angeboren ist, glaube ich nicht, aber ich denke genauso wenig, dass man sich dazu einfach mal so entscheidet. Und so nebenbei: Wann hast du dich denn entschieden hetero zu sein? Wäre eine nur gerechte Gegenfrage auf eine blöde Frage.

Das sind so die Hauptfragen, die in die Kategorie "Blöde Fragen bezüglich Sexualität und Identität" fallen. Und heute am IDAHOT, also am International Day Against Homophobia and Transphobia dachte ich mir, dass es ein guter Tag dafür wäre, ein paar meiner persönlichen Erfahrungen bezüglich dieser "Phobien" (Ich finde ja, dass das anders heißen sollte, weil das ja nichts mit Angst oder sonst was zu tun hat, sondern nur mit Ignoranz und Blödheit, meiner Meinung nach) aufzuschreiben.

Was abgesehen von dem blöd schauen und dem blöd fragen noch furchtbar unangenehm ist, ist dass die Wörter "schwul", "Schwuchtel", "Homo" und "Kampflesbe" nach wie vor als Schimpfwörter, als Wörter zur negativen Veranschaulichung von Sachverhalten oder Personen, verwendet werden. Wie oft ich Leute schon darauf hingewiesen habe, dass sie, wenn sie jene Wörter als Synonyme für Schlechtes verwenden, diskriminieren. Sie "meinen es dann eh nicht so". Ich frage mich dann immer, warum man etwas sagt, ohne es zu meinen, aber gut, manches werde ich wohl einfach nie verstehen , und diese unbegründete negative Einstellung, dieser grundlose Hass, sind solche davon.

Ich hoffe echt, dass sich die Gesellschaft bald etwas wandelt. Durch den Sieg von Conchita Wurst beim Songcontest ist meiner Meinung nach eh endlich ein Stein ins Rollen gekommen, ein großer Schritt in Richtung der Gleichstellung der LGBTQIA-Community. Jetzt heißt es den Stein im Rollen zu halten, weitere Schritte in die richtige Richtung zu machen, bis wir dann irgendwann in einer Welt leben, in der man sich frei entfalten kann, ohne Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung.
In diesem Sinne, noch einen wunderschönen IDAHOT!

#NotYourHero

1 Kommentar:

  1. (Es tut mir sehr leid, ich muss jetzt einen blöden Wortwitz machen, einfach nur, weil er so passend ist :) ) Obwohl du dich als #notyourhero taggst muss ich echt sagen, dass ich dich schon ein wenig als Heldin ansehe. Einfach diese Missstände zu formulieren und darüber zu schreiben ist in meinen Augen schon heldinnenhaft, wenn man das dann aber noch dazu auf so eine persönliche Art und Weise tut, dann ist das sehr bemerkenswert.
    Und überhaupt möchte ich ein großes Kompliment für deine Wortwahl aussprechen.
    Dieses Thema, all die Diskriminierungen und niedermachenden Worte, das gehört einfach viel öfter angesprochen und ich finde es wirklich schön, das alles lesen zu dürfen. Ich muss dir einfach so recht geben, es ist so schade, wie viel irgendwie...verloren geht, weil alles auf Heteronormativitäten reduziert wird. Es gibt einfach so einen Facettenreichtum, der unter den Tisch gekehrt wird.
    Achja, dass du in solchen Situationen meistens still bleibt, ist so verständlich einfach. Das ist ja auch irgendwo ein Eingriff in die Privatsphäre, was nicht nur unangenehm sondern auch sehr verletzend sein kann. Wenn ich mal dabei sein sollte, versprech ich dir, alle zu fetzen :)

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