Freitag, 11. Juli 2014

Zwiespalt

#NotYourHero
Nr. 4 

Ich hatte in den letzten Wochen viel zu tun, hatte nicht so viel Zeit zum Nachdenken, was vielleicht nicht so schlecht war. Die Matura war der größte Stressfaktor dieser letzten Wochen und seit ich endlich offiziell keine Schülerin* mehr bin, habe ich wieder Zeit zum Grübeln über Gott und die Welt. Bzw vor allem über mich selbst, mein Leben, mein Umfeld und meine Verhältnisse aller Art zu den Menschen in meinem Leben. Und bei all dem Nachdenken, bin ich auf einige Zweifel gestoßen, bezüglich dem, was ich eigentlich will und dem, was ich ganz bestimmt nicht will.

Das letzte Jahr war wohl eines der rasantesten überhaupt in meinem bisherigen Leben, gefüllt mit sehr viel Spaß, aber auch einigen Tiefs, Stress in der Schule und im Privatleben und großen Veränderungen an mir selbst. Ich bin wohl ein bisschen erwachsen geworden in einigen Hinsichten, andererseits denke ich mir oft, dass ich nicht reifer, als ein 12-jähriges Kind bin. Aber das stört mich nicht weiter, ich finde es eigentlich gut, weil ich mir auf Dauer erwachsen sein eh sehr langweilig und eintönig vorstelle.

Aber zurück zu meinen eigentlichen Themen des Eintrags, meinen Zweifeln, dem was ich will oder auch nicht will. Ich bin ein Mensch, der sehr viel Freiraum braucht. Ich kann die wenigsten Menschen wirklich nahe an mich heranlassen, psychisch gesehen. Wahrscheinlich weil ich, wie wohl alle insgeheim, Angst vor Zurückweisung und dem Zurückgelassen werden habe. Ich bin, wie es aussieht, wohl wirklich relativ bindungsunfähig, zumindest bin ich bis jetzt immer vor den Menschen geflüchtet, die es ernstgemeint hätten mit mir. Ich bin ja nicht mal befähigt über meine Gefühle mit diesen Menschen zu reden, nur schreiben kann ich darüber. Traurig, aber so ist das nunmal und es tut mir auch wirklich leid für diese Menschen, die in mir so viel mehr gesehen haben, als ich in Wirklichkeit bin.

Vielleicht ist es auch einfach so, dass ich noch nicht bereit bin, für eine richtige Bindung, die über Freundinnen_schaft hinausgeht, vielleicht werde ich das aber auch nie wirklich sein. Hier taucht dann plötzlich dieser Zwiespalt auf, denn eigentlich wünsche ich mir ja Nähe mit einer Person. Ich wünsche mir eine Person, die mich versteht, die ich verstehe, die für mich da ist, wenn ich es brauche und für die ich bestmöglich da sein kann, wenn sie es braucht. Doch habe ich dann genau diese Art von Nähe, will ich sie plötzlich nicht mehr haben, dann fühle ich mich wie angekettet, wie in einem winzigen Käfig, einfach nicht mehr frei.

Und genau das habe ich die letzten Tage nicht mehr ausgehalten, weil ich seit ca einem Jahr nie so richtig Single gewesen bin, da meine  "Beziehungen" (ich muss sie immer unter Anführungszeichen setzen), immer ineinander übergelappt sind. Außerdem scheine ich einfach unfähig zu sein, nur an einer Person interessiert zu sein, obwohl ich das insgeheim schon mal gerne können würde, dann würde ich nicht so schnell Menschen mit meinem Verhalten verletzen können. Ich werde die nächsten Wochen alles lassen, was in Richtung Beziehung geht, einfach um mich mal auf mich selbst zu konzentrieren, herauszufinden was ich eigentlich will und mein Leben ein bisschen zu ordnen.

Außerdem, vielleicht sehne ich mich nur nach so einer Bindung, weil uns von Medien und der Umwelt erzählt wird, das sei der einzig wahre Weg zum Glück?! Ich finde Freund_innenschaft so viel wichtiger, einfach weil sie beständiger (blödes Wort um das zu schreiben, aber es bringt es auf den Punkt) ist, und einer_einem doch viel mehr Kraft gibt. Vielleicht ist das mein subjektives Empfinden und vielleicht sind das nur die Worte einer zur Zeit sexuell und beziehungstechnisch frurstrierten Person, die sich mehr Probleme selbst einbrockt als nötig, und die über alles viel zu viel nachdenkt.

Ich bin schon irgendwie komisch in diesen paar Punkten, sehr zwiespältig. Aber ich habe beschlossen, dass ich die nächsten Wochen mal einfach nicht über solche Verhältnisse nachdenke, mich auf wichtigere Dinge konzentriere. Ich meine, ich ziehe bald endlich nach Wien, werde dort studieren und leben, mich verändern, etc. Ob es in Wien so unkompliziert sein wird bezweifle ich zwar aufgrund einer gewissen Vorgeschichte, aber die Hoffung stirbt ja zuletzt oder so. Weil ich weiß zwar nicht was ich will und generell nicht viel, aber eines weiß ich mit Sicherheit, nämlich dass ich mich in nächster Zeit von Liebesdramen fernhalten werde und ab jetzt einfach nur mein Leben genieße, denn das kann ich auch alleine!



Sonntag, 6. Juli 2014

Fette hässliche dumme Kuh!

#miss monochrom
#Nr.5

" Du bist eine fette hässliche dumme Kuh!", brüllt mich meine Schwester mit hasserfüllten und lodernden Augen an. Ihr Körper schüttelt sich vor Wut, und wenige Sekunden später geht ein Fotorahmen knapp vor meinen Füßen zu Bruch. Unter den spitzen winzigen Glasscherben glänzt ein kitschiges Foto hervor. Darauf zu sehen sind zwei Kinder im Gras. Das größere der beiden Mädchen trägt ein pinkes kariertes Kleid, welches ein wenig an eine Schuluniform erinnert. Ihre Haare sind zu vier Knödel zusammengebunden. Sie ist in den Knien gebückt und pflückt weiße lachende Blumen. Dabei wird sie von einem winzigen blonden Lockenschopf neben ihr aufmerksam beobachtet. Der süße kleine Wuschel ist meine Schwester, nur zu diesem Zeitpunkt halt 10 Jahre jünger. Jetzt ist sie vierzehn Jahre alt, und dem Mädchen im pinken Kleid ( mir) längst über den Kopf gewachsen. Und noch etwas hat sich verändert, nun bin ich es, die ihre Bewegungen beobachtet... mit großer Sorge.

Meine kleine Schwester, die ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, starrt mit weit aufgerissenen Augen auf den Scherbenhaufen, den sie angerichtet hat. Sie stürzt plötzlich unter lautstarken Beschimpfungen in ihr Zimmer. Ich weiß, es tut ihr Leid, aber das mit den Entschuldigungen funktioniert bei uns schon lange nicht mehr. Die Streiterein waren zu routiniert, zu alltäglich, die seelisch zugefügten Wunden konnten nicht mehr so schnell heilen, leider. Es tut mir Leid. Der Wurf des Bilderrahmens hätte genauso gut auch von mir kommen können, wir sind uns sehr ähnlich vom Temperament her, nur weiß ich schon wohin mit meiner Energie, sie ( noch) nicht. Wenn die Familie vollständig zu hause ist, dann ist die Anspannung fast zum greifen spürbar.

Oben: ihr Mittagessen ( Zeitschrift mit Fitnessvideo); Unten: mein Mittagsessen ( Nudeln mit Gemüse)
Die Worte " ... fette hässliche dumme Kuh", wiederholen sich in meinem Kopf. Dabei wird mir ganz schlecht. Es verdeutlicht den unglaublichen Selbsthass meiner Schwester. Die Wutausbrüche werden immer extremer, so auch, oder sollte ich lieber sagen wegen ihrer extremen neuen Essgewohnheiten.

Es hat vor ca. 6 Wochen angefangen, als sie wegen Magenbeschwerden zu hause blieb. Sie bat unsere Mutter um ein Abführmittel. Weil die Symptome dafür sprachen und die Schmerzen ziemlich stark waren bekam sie dieses auch. Während ihrer Krankheit nahm sie nicht mehr als klare Suppe zu sich. Danach war sie um einige Kilos leichter, und das freute sie. Gestärkt von diesem " Erfolgserlebnis" ( Gewichtsverlust ist in unserer Gesellschaft immer etwas Positives... crazy World) begann sie eine strenge Diät. Diät heißt in ihrem Fall, dass sie Listen erstellte in denen sie ihre Tagesmahlzeit genau plante. Meistens waren diese " Mahlzeiten" Wasser mit Geschmack oder vegane Experimente, welche zum Großteil im Müll landeten oder der Familie auf den Tisch gestellt wurden ( meine Schwester kocht unglaublich lecker, hat aber leider selbst nix davon). Sie wurde zur Kalorien-zähl-Expertin und hat den Kaloriengehalt von allen Lebensmittel auswendig gelernt. Mit jedem verlorenen Kilo wird ihr Gesicht immer erschöpfter und ihre Laune immer schlechter.

Fundstück aus ihrem Zimmer.
Früher war sie sehr schön. Ich beneidete sie immer für ihren durchtrainierten straffen gebräunten athletischen Körper. So etwas wie Fettreserven hat ihr Körper irgendwie sowieso noch nie besesse, weil sie einen natürlichen Drang zu viel Bewegung hatte. Und sie liebte Essen. Wir führten oft Wettstreite wer mehr Pizza, Lasagne oder Eis vertilgen konnte. Die Zeiten haben sich geändert, denn jetzt heißt es " wer am wenigsten Kalorien zu sich nimmt" hat gewonnen!



Den Sieg diesen Wettbewerbes trägt sie. Ihr BMI ist unterdurchschnittlich. Ihr Körper, mager, bleich und stark gealtert, wegen all den fehlenden Nährstoffen. Sie schaut krank aus, denn was sie mit ihrem Körper anstellt sind alles Symptome einer Krankheit und morgen ist ihre erste Therapiestunde bei einer auf diesem Gebiet spezialisierte Kinderärztin geplant. Aber wir brauchen kein Ärztliche Bestätigung, denn es ist nicht zu übersehen:
Meine Schwester ist magersüchtig.

miss monochrom